„Der Mut zur Offenbarung“


Das Theatrium schafft einen vielfältigen Einblick rund um Schönheit – LVZ 11.04.2016:

Das Bedrohliche an der Schönheit ist, dass sie unser ganzes Leben durchdringt und zu großen Teilen bestimmt: Was als schön zu gelten hat, bekommt bereits das Kleinkind beigebracht. Schöne Menschen finden leichter Freunde, Partner, Jobs, Anerkennung. Die Kämpfe, die mit der ungerechten Verteilung von Schönheit und ihren Facetten ausgefochten werden müssen, zeigte das Jugendtheater erstmals am Freitagabend im Theatrium Grünau.

In „Die Schöne und das Biest (in mir)“ nehmen die vier Aktricen Antonia Laura Dückert, Monika Garbotz, Lena Gust und Maxi Leopold die Zuschauer mit auf eine Reise durch Definitionsvorschläge, Gesellschaftskritik und vor allem ihre persönliche Erfahrungswelt. Denn viele der Szenen spiegeln Erfahrungen und erlebnisse der 14- bis 19-Jährigen.

Das geht ja morgens schon los: Pickel abdecken, Härchen zupfen, Makeup-Lawine – ironischerweise alles für ein möglichst „natürliches Gesicht“. Die vier talentierten Mädchen spielen, tanzen und erzählen auf der Grünauer Bühne vor einem breiten Bühnenspiegel, der auch die Zuschauer konstant mit dem eigenen Außenbild konfrontiert. Die Mädchen hatten und haben es dabei ungleich schwerer, mussten sie sich doch über die gesamte Probezeit mit ihrem Selbst- und Fremdbild auseinandersetzen. Dieser Mut zur Selbstoffenbarung ist dann auch die große Stärke des Stücks, auch wenn man immer erfährt, wie viel von jeder in ihrer Rolle stecken könnte – zu messen am wissenden Gelächter der Eltern im Saal.

So macht sich die Gruppe um Projektleiter Ricardo Endt etwa auch über den vorherrschenden Selfie-Wahn lustig: Am Ende zieht man doch „immer das gleiche bescheuerte Selfie-Gesicht“, weil man nie zufrieden ist. Die persönliche Aufzählung, was denn für die vier Darstellerinnen eigentlich „schön“ ist, offenbart so interessante Erlebnisse wie das langsame Einstimmen eines Orchesters oder das Umarmen großer Menschen, deren Herzschlag man dann vernehmen kann.

Auch kritisch-spaßige Seitenhiebe zu der Fassadenindustrie rund um Models, Stars – „die immer gut aussehen“ – und Massenmedien dürfen natürlich nicht fehlen. Ob auf dem Laufsteg wie bei „Germany’s Next Topmodel“ oder bei den diversen Tanz- und Gesangseinlagen – immer sieht man den jungen Schauspielerinnen die Lust am Spiel mit Rolle, Person und Medienbildern an. Als Zuschauer hat man ihn am Ende des Stücks dankbar wieder aufgefrischt: den Blick für die vielen schönen Dinge.


Nächste Vorstellung von „Die Schöne und das Biest (in mir)“ ist am Freitag, 15. April, 20 Uhr, Karten unter 0341-94 13 640 oder per Mail an theatrium@gmx.de. Mehr auf
www.theatrium-leipzig.de


Markus Gärtner

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 11.04.2016