„Ein Ruth-Pfau-Archiv für Leipzig“

Berufsschulzentrum und HTWK machen dafür gemeinsame Sache – LVZ vom 30./31.05.2015:
Sie sind aufs Engste verbunden: Das hiesige Berufliche Schulzentrum Gesundheit und Sozialwesen (BSZ) und Ruth Pfau, deren Namen die Bildungsstätte in der Schönauer Straße seit 2010 trägt. Weltweit wird die heute 85-Jährige respektvoll in einem Atemzug mit Mutter Teresa genannt: Die in Leipzig gebürtige Lepra-Ärztin und Ordensfrau kämpft seit über 50 Jahren in Pakistan für ein besseres Leben der Menschen vor Ort; führt u.a. in Karachi das Marie Adelaide Leprosy Centre (MALC), das längst Partnereinrichtung des Leipziger BSZ ist.

„Das viele Material, was wir von Ruth Pfau haben, darf nicht verloren gehen.“

„Jetzt reifte der Gedanke, bei uns ein Ruth-Pfau-Archiv zu etablieren“, erzählt Lehrerin Gudrun Matschenz. Immerhin: „Seit 2009, seit wir Kontakt zu Ruth Pfau haben, hat sich so ein Berg wunderbarer Materialien angesammelt, die es einfach wert sind, aufgearbeitet zu werden“, sagt sie und verweist auf ganz viele Fotos, die bei den gegenseitigen Besuchen entstanden; auf einen aufschlussreichen E-Mail-Wechsel, auf Filme und Videos. Einstige Schulfreundinnen von Ruth Pfau seien überdies bereit, ihren persönlichen Briefverkehr und manch interessantes Dokument hinzuzufügen. „Eine dieser älteren Damen war sogar Taufpatin für Ruth Pfau und im Zweiten Weltkrieg mit ihr in der ,Kinderlandverschickung‘. Es gibt Briefe, in denen Ruth 1948/49 schrieb, warum sie seinerzeit in Leipzig nicht Medizin studieren konnte und in den Westen ging. Wunderbar in Sütterlin geschrieben.“ Das alles dürfe nicht verloren gehen, finden Matschenz, Kollegen und Freunde.
Doch wie kriegt man so ein Archiv, das dann auch wissenschaftlich Hand und Fuß hat, nun hin? Es bedarf Leute vom Fach, war man sich an der Pfau-Schule einig – und wandte sich an Gisela Weiß. Sie ist von Haus aus Historikerin und an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Professorin für Museumspädagogik im Studiengang Museologie. „So ein Museumsberuf hat starken Bezug zum Archivwesen“, findet Weiß. „Und Ruth Pfaus Dokumente zu sichten, zu inventarisieren, digitalisieren und so aufzubereiten und zu bewahren – das passt perfekt in ein Praxisprojekt für unsere Studenten!“ Julius Besser, drittes Studienjahr zum Bachelor of Arts im Bereich Museologie, gehört nun zu jenem studentischen HTWK-Quartett, das sich der Sache annimmt. „Wir werden jetzt loslegen und uns im BSZ alles anschauen und Vorschläge erarbeiten, wie das künftige Archiv aufgebaut werden könnte“, sagt er. „Und zwar so, dass es keines wird, das im Keller verstaubt, sondern eines, das die Schule für die Ausbildung nutzen kann“, ergänzt Professorin Weiß. „Und überdies jedem Interessenten offensteht“, fügt Matschenz hinzu.
So spannend Student Besser die Aufgabe findet, so ehrlich bekennt der junge Mann auch: „Von Ruth Pfau selbst hatte ich zuvor noch nichts gehört.“ Nun jedoch sei das Interesse geweckt
„Super wäre, wenn das Archiv bis zum 10. Dezember stünde“, liebäugeln Matschenz und Kollegen ein wenig mit dem Termin. „Unser BSZ feiert da sein fünfjähriges Bestehen als ,Ruth-Pfau-Schule‘!“ Wobei klar ist: Gut Ding braucht Weile. Und in dem Fall noch etwas: „Wir würden uns freuen, wenn Leipziger vielleicht auch noch Dokumente oder eigene Erinnerungen haben, die im Zusammenhang mit Ruth Pfau stehen und das Archiv bereichern könnten“, bittet BSZ-Sprecher Knut Schleicher.


Zur Person: Ruth Pfau

Ruth Pfau wurde 1929 in Leipzig geboren. Mit 20 zieht es sie nach Westdeutschland, sie studiert Medizin. 1951 ließ sie sich taufen, vier Jahre später trat sie dem Orden der „Töchter vom Herzen Mariä“ bei. 1960 sandte der sie nach Asien, wo sie in Karachi bleibt, erstmals Lepra-Helfer schult. Sie muss sich gegen engstirnige Bürokraten und korrupte Beamte durchsetzen. 1978 bekommt sie das Große Bundesverdienstkreuz (1985 auch das mit Stern) – und den höchsten pakistanischen Zivilorden. Inzwischen ist sie Ehrenbürgerin Pakistans und (seit 1979) nationale Beraterin für Lepra-Fragen im Rang einer Staatssekretärin. Für den Kampf gegen Lepra hatte Pfau in Karachi die Organisation „Marie Adelaide Leprosy Centre“ (MALC) gegründet. Damit gelang es, die Patientenzahl in Pakistan von mehr als 100000 (1960) auf 10000 (1991) zu verringern.
Pfau und ihre Helfer konnten sich hernach auch anderen Leiden wie der Tuberkulose und Augenerkrankungen sowie bedürftigen alten Menschen zuwenden. Im Vorjahr erhielt sie in Deutschland den Klaus-Hemmerle-Preis, eine Ehrung der weltweiten, katholisch-geistlichen Gemeinschaft Fokolar-Bewegung.


Angelika Raulien

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 30./31.05.2015