„Kampf dem weißen Zucker“

Hayati-Verein setzt sich für ausgewogene Ernährung von Kindern ein / Auch Süßigkeiten können gesund sein – LVZ 14.12.2016


Die Kinder der 100. Schule in Grünau warten zusammen mit der stellvertretenden Schulleiterin Grit Trepte (hinten links), Gerald Walter (Mitte) und Übersetzer Al Mahamed (hinten rechts), bis das Büffet eröffnet wird.
(Foto: André Kempner)


Dass zu viel Zucker weder gut für die Zähne noch für den Körper ist, lernen Kinder bereits im frühesten Alter. Für Gerald Walter ist weißer Industriezucker aber eine kulinarische Sünde, der man generell abschwören sollte. Der gebürtige Dessauer hat es sich deshalb zum Ziel gemacht, junge Menschen und Familien über Alternativen aufzuklären – „Süßigkeiten und gesunde Ernährung sind keine Gegensätze, die sich ausschließen“, sagt er. Nur auf die Zutaten und die Zusammensetzung komme es an.
Mit seinem im Oktober gegründeten Verein Hayati absolvierte Walter nun seinen ersten öffentlichen Auftritt: an der 100. Schule in Grünau. Dort durften sich 50 Kinder an einem Geruchs- und Geschmackstest mit – mal mehr, mal weniger – exotischen Lebensmitteln wie Feigen, Kokos, Sternanis, Kardamom oder Nelken versuchen. Aus denen waren dann auch die Kekse, Brownies und Pralinen gemacht, die die Food-Designerin Marie Löffler für diesen Morgen bereitgestellt hatte. Paleo-Ernährung lautet hier das Stichwort: So natürlich wie möglich, nur Zutaten verwenden, die auch bei unseren Vorfahren in der Steinzeit auf dem Speiseplan standen. Das bedeutet vor allem, dass Getreide und weißer Zucker tabu sind.
„Zucker ist überall dort gut, wo er nicht in geballter Ladung auftritt, wie also in den meisten Süßigkeiten, die man im Supermarkt bekommt, sondern wo er natürlich vorkommt: Obst, Honig, Sirup, Datteln“, so Walter, der selbst seit mehreren Jahren keinen weißen Zucker mehr konsumiert. Der studierte Molekularbiologe ist viel in der Welt herumkommen, so auch im Nahen Osten und kennt deshalb „die fantastische Vielfalt arabischer Süßigkeiten“. Sein Ernährungskonzept ist simpel, man müsse sich nur von industriell verarbeiteten Produkten lösen: „Es ist falsch, wenn immer wieder behauptet wird, in Deutschland würden die Menschen zu viel essen. Sie essen schlicht nicht genug von dem, was sie brauchen. Die Folge sind Appetitanfälle, die dann mit Süßkram und Chips gestillt werden.“
Die Präsentation in der 100. Schule markiert erst den Startschuss für ein Projekt, an dem Walter mit Leib und Seele hängt. Seine Begeisterung ist deutlich spürbar. Workshops, Roadshows und eine App, die die Ernährung des Nutzers analysiert, Mängel aufweist und ihm außerdem mitteilt, wo er die entsprechenden Zutaten kaufen könne, sind in Planung. Einzig die Finanzierung mache ihm noch Sorgen: „Noch sind wir auf die Unterstützung von Stiftungen angewiesen. Wir sind deshalb extrem dankbar, dass wir von der Start-Stiftung, einem Projekt der Hertie-Stiftung, unsere ersten Fördergelder erhalten haben.“
Hayati, das bedeutet im Arabischen „Mein Leben“. Walter will mit seinem Verein vor allem die Kinder von Flüchtlingen ansprechen, seit er erfahren hat, dass bei vielen zu Hause nur Fertigprodukte auf dem Tisch landen. Die 100. Schule war mit ihrer hohen Anzahl an Kindern mit Migrationshintergrund – gut der Hälfte von rund 250 Schülern – der ideale Startpunkt. Hayati soll aber keine exklusive Veranstaltung werden: Walter möchte mit seinem Verein alle Kinder ansprechen.
Der reich gefüllte Gabentisch war kurz nach Beginn der Verkostung im Übrigen ratzfatz geleert. Interessierte finden die Rezepte, die eine perfekte Alternative für die üblichen Weihnachtsplätzchen sind, unter www.sweetpaleotreats.de.

Christian Neffe

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 14.12.2016