Aufregung wegen geplanter Abschiebung: Ein Monat Duldung für jungen Kosovaren / Härtefallantrag läuft noch – LVZ vom 24.02.2017
Die geplante Abschiebung des jungen Kosovaren Luan Zejneli (18) schlägt immer höhere Wellen. Nicht nur die Stimmen politischer Nachwuchsorganisationen werden lauter (die LVZ berichtete) – mittlerweile hat das Thema auch das Interesse zahlreicher überregionaler Medien geweckt. Währenddessen sammelt die Online-Petition namens „Luan soll bleiben“ mehr und mehr Stimmen. Aktueller Stand: etwa 5.300. Die Nachricht des gestrigen Tages lässt Betroffene und Sympathisanten zunächst einmal durchatmen: Luan und seine Familie werden vorläufig für einen weiteren Monat in Deutschland geduldet.
Benjamin Heinsohn (16), Neuntklässler am Max-Klinger-Gymnasium in Grünau, hatte die Petition gestartet, nachdem sein Mitschüler Luan einen Bescheid der Ausländerbehörde mit der Aufforderung, bis zum 23. Februar in den Kosovo zurückzukehren, erhalten hatte. Es könne kein Asyl gewährt werden. Die Jusos und die Linksjugend Leipzig zeigten sich schnell solidarisch. „Die Härtefallkommission muss den Fall prüfen und die Abschiebung verhindern“, forderte Martin Bönewitz von den Jusos. Die Kommission kann eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe, also sprachliche, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Integration, vorliegen. Das sehen Luans Mitschüler als gegeben an.
Zuletzt äußerten sich auch junge CDU-Vertreter zu dem Vorfall. Eric Buchmann (26), Stadtbezirksbeirat in Leipzig-Altwest und Vorstandsmitglied der Jungen Union Leipzig, teilte mit: „Seit einigen Jahren haben wir einen enormen Anstieg von Asylanträgen aus Ländern, die tatsächlich Kriegsgebiete sind. Die Menschen von dort fliehen vor dem Tod und nicht selten vor politischer Verfolgung. Doch der Kosovo ist weder ein Krisen- noch ein Kriegsgebiet.“ Luans Eltern hätten die seit 2016 erleichterten Regelungen zur Arbeitsaufnahme von Menschen aus Balkanstaaten zur legalen Einreise nutzen können.
Für größeres Aufsehen sorgten die Aussagen des Vorsitzenden der Schüler-Union Leipzig. Christoph Leonhardt (17) ist ebenfalls Schüler am Max-Klinger-Gymnasium. In seiner Pressemitteilung hieß es: „Es gab ein rechtsstaatliches Verfahren, in dem die Gründe für ein Bleiberecht sorgfältig abgewogen wurden. Das Ergebnis war jedoch die Ablehnung des Antrags.“ Luans Mitschüler müssten den Beschluss akzeptieren – auch wenn dies schwerfalle. „Ich schätze Luan als Mitschüler, aber der Fall ist schwierig“, so Leonhardt weiter. Gute Noten und ein Freundeskreis an der Schule genügten „aber doch nicht, um die Asylregelungen außer Kraft zu setzen. Wo kommen wir denn da hin?“
Für diese Meinungsäußerung schlägt Leonhardt im weltweiten Netz eine Welle der Empörung entgegen. Viele seiner Mitschüler, aber auch Außenstehende kritisieren den 17-Jährigen scharf – und selten sachlich. Gegenüber Spiegel Online stellte der junge Leipziger nun klar: „Ich fordere nicht, Luan müsse abgeschoben werden. Ich sorge auch nicht dafür, dass er abgeschoben wird.“ Er würde sich sogar freuen, wenn eine Einzelfallprüfung ergeben würde, dass Luan und seine Familie bleiben dürfen.
Das Jugendparlament Leipzig schaltete sich inzwischen ebenfalls in die Debatte ein. Auf seiner Sitzung am Dienstag will der Vorsitzende William Rambow einen Antrag zum sofortigen Stopp aller Abschiebungen von Minderjährigen und Schulpflichtigen erwirken.
Die Duldung für einen weiteren Monat sorgt zunächst einmal für Entspannung. Sie erreichte Luan und seine Familie am gestrigen Donnerstag, dem ursprünglichen Abschiebetag. Sie ist unter anderem eine Folge von Benjamin Heinsohns Vorhaben, mithilfe des Sächsischen Flüchtlingsrates eine Härtefallprüfung zu beantragen. Er, seine Eltern und die beiden Geschwister(7 und 16 Jahre alt) müssten vorläufig keine Angst haben, in Abschiebehaft gesteckt zu werden, sagte Luan ein wenig erleichtert zur jüngsten Entwicklung.
Christian Neffe
K O M M E N T A R
„Widerstand im Sinne des Gesetzes“
Ein junger Mann, ein Asylbewerber aus dem Kosovo, soll abgeschoben werden. Das kann man akzeptieren oder nicht. Luans Mitschüler haben sich für die zweite Option entschieden: Sie starteten eine Petition, sammelten Stimmen gegen die Ausweisung ihres Freundes. Dafür wird ihnen im Netz und aus gewissen politischen Lagern nun vorgeworfen, sie würden versuchen, geltendes Recht außer Kraft setzen zu wollen.
Ich will die Daseinsberechtigung kritischer oder konservativer Meinungen nicht abstreiten. Einige haben aber scheinbar nicht verstanden, dass der Antrag auf eine Härtefallprüfung – und um die geht es hier im Kern – ein absolut gültiges Rechtsmittel ist, festgehalten in Paragraf 23a des Aufenthaltsgesetzes. Mit einer Petition mag Luans Abschiebung nicht verhindert werden können – doch sie zeigt, dass ein nicht geringes öffentliches Interesse an seinem Verbleib in Deutschland besteht. Ein Faktor, den jene, die über den Sachverhalt entscheiden, nicht ausblenden können.
Um ehrlich zu sein: Luans Chancen auf ein Bleiberecht sind nicht sonderlich groß. Die sächsische Härtefallkommission entschied Ende 2016 über die fünfköpfige Familie Oueslati aus Meißen – trotz bester Voraussetzungen – auch negativ. Aber all denen, die sich so sehr für Luan einsetzen, zu sagen, sie hätten die Entscheidung der Behörden stillschweigend zu akzeptieren, zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Diese Schüler zeigen Courage – im Gegensatz zu jenen, die sich auf ihrem Rücken durch reaktionäre Kommentare politisch profilieren wollen.
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 24.02.2017
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