Zum 40. Geburtstag des Stadtteils im vergangenen Jahr war es angekündigt worden. Nun liegt das neue Konzept zur Entwicklung Grünaus bis 2030 tatsächlich vor – zumindest im Entwurf. Keine Sekunde zu früh, lässt sich dazu sagen. Denn mit den wieder wachsenden Einwohnerzahlen sind auch neue Probleme entstanden, erläuterte Stefan Geiss vom Amt für Stadterneuerung (ASW) bei der Vorstellung des Inhalts.
Die zu DDR-Zeiten für 85.000 Menschen konzipierte Plattenbau-Siedlung Grünau hat den Trend zum Wegzug gestoppt. Durch viele sanierte Häuser, Neubauten und Eigenheimgebiete gibt es nach dem Tiefpunkt bei 40.000 jetzt Wanderungsgewinne. Im September zählte der Stadtteil Lausen-Grünau erstmals wieder über 50.000 Einwohner.
Jeweils im Verhältnis zur Gesamtstadt gebe es in Grünau heute eine fast doppelt so hohe Arbeitslosenquote (12 Prozent) sowie Quote der Hartz-IV-Empfänger (32 Prozent). Bei den unter 15-Jährigen trage der Staat zum Lebensunterhalt für jedes zweite Kind in Grünau bei. 20 Prozent der Jugendlichen in dem Stadtteil schafften keinen Schulabschluss. „Die Wohnungsleerstände sind mit 15 Prozent besonders hoch und die Mieten besonders günstig.“
Leipzig habe in den letzten Jahren besonders viele Flüchtlinge in Grünau einquartiert, die sich später im Umfeld der Asylbewerber-Unterkünfte Wohnungen gesucht hätten, so Geiss weiter. „Einige Vermieter haben das genutzt. Inzwischen hat es in Teilgebieten eine Eigendynamik gewonnen, der man sich stellen muss.“ So brächten 47 Prozent der Schüler an der Fröbel-Grundschule einen Migrationshintergrund mit, an der 100. Grundschule sowie 84. Oberschule jeweils 38 Prozent.
Zeitgleich gebe es in dem Leipziger Stadtteil, der das höchste Durchschnittsalter, aber auch überproportional viele Kinder und Jugendliche aufweist, noch unsanierte Schulgebäude aus den Siebzigern „in erbärmlichem Zustand“. Dabei sei Bildung der Schlüssel für Chancengleichheit und das Gedeihen Grünaus.
Folglich gelten die Großprojekte in der neuen Strategie genau jenem Thema. Am Standort der Stadtteilbibliothek in der Stuttgarter Allee soll endlich das seit Jahren diskutierte Bürger- und Bildungszentrum als „Leuchtturm“ entstehen. Frühere Pläne, dafür Flächen im Allee-Center zu mieten, sind vom Tisch. Eine neue Ratsvorlage dazu sei fast fertig, sagte Geiss.
Über 40 Millionen Euro fließen in den Campus an der Plovdiver Straße: Dort werden vier Schulgebäude plus Turnhallen saniert, zudem entsteht ein Neubau mit Gemeinschaftsräumen für alle drei vorhandenen Schulen, so Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos). Auch sollen zeitnah die Freizeitklubs Arena und KiJu am Kirschberg, das Mütterzentrum Potschkaustraße und das Familienzentrum Ringstraße modernisiert werden. Gleiches gelte für den Sportpark im Wohnkomlex 4 (samt Kletterfelsen) und vier weitere Sportplätze. Die neue Freiflächengestaltung für das Herz vom Wohnkomplex 2 (ein 1,2 Hektar-Areal zwischen Alter Salzstraße, Montessori-Schulzentrum und Grünauer Allee) könne in Kürze starten – auch wenn es für die von vielen gewünschte Fußgängerbrücke über die S-Bahn-Strecke zum Robert-Koch-Park auf absehbare Zeit kein Geld gebe. „Die Zeit der Abrisse ist vorbei. Grünau verfügt heute über 55 Hektar bebaubare Flächen. Es ist die Chance, um mehr Gewerbe anzusiedeln und die Bevölkerungsstruktur zu verbessern“, sagte Dubrau. Eigenheime und Reihenhäuser für junge Eltern könnten etwa auf den Abbruchflächen im Wohnkomplex 5.1 entstehen.
Das Image von Grünau wandle sich ins Positive. Die Einwohnerzahl des Stadtteils stieg gerade auf mehr als 50.000. Der Konzept-Entwurf wurde gestern Abend [16.11.] bei einem Bürgerforum vor Ort diskutiert.
Jens Rometsch
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 17.11.2017