„Sozial Schwachen bleibt häufig nur noch der Umzug in die Platte“

Die meisten Hartz-IV-Wohnungen gibt’s im Westen, die wenigsten in Stadtmitte und im Süden – LVZ 23.08.2016:

Bevölkerungswachstum und steigende Mieten engen in Leipzig das Leben von sozial Schwachen zunehmend ein. Zwar gibt es noch in allen Stadtbezirken Wohnraum, der den Zuschusskriterien für Hartz-IV-Bezieher entspricht. Doch meistenorts sind die Angebote mittlerweile rar. Ein Drittel des verfügbaren Wohnraums für sozial Schwache entfällt auf den Westen, wo die großen Plattenbauten stehen. Nahezu aussichtslos ist die Suche in Stadtmitte und Süd.

Um die Situation am Leipziger Wohnungsmarkt zu analysieren, griff das Sozialdezernat erstmals auf die Datenbank der Empirica AG zurück. Diese speist sich aus mehr als 100 Quellen und liefert umfangreiche Informationen zu Preisen, Mieten und Renditen in Deutschland.

Für Leipzig wurden die Daten vom Januar, Februar und März dieses Jahres ausgewertet. Danach gab es in jedem Monat rund 12000 Wohnungsangebote. 3.606 Wohnungen davon waren nach Größe und Preis angemessen im Sinne der Richtlinie für die Kosten der Unterkunft. Darin hat der Stadtrat die Kriterien für Wohnkostenzuschüsse klar definiert. Einem Ein-Personen-Haushalt stehen demnach 45 Quadratmeter Wohnraum zu, der monatlich 269,57 Euro (kalt) kosten darf; ein Zwei-Personen-Haushalt erhält für maximal 60 Quadratmeter bis zu353,50 Euro, ein Drei-Personen-Haushalt für höchstens 75 Quadratmeter exakt 446,95 Euro. Im März waren demnach in Leipzig noch knapp 2600 Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger frei. Die meisten entfielen auf den Stadtbezirk West (782 Wohnungen), gefolgt von Ost (500), Nordost (323) und Alt-West (246). Jeweils zwischen 120 und 165 Angebote waren für Südwest, Nord, Südost und Nordwest verfügbar. Die wenigsten Wohnungen fanden sich in Mitte (47) und Süd (52).

Zum Vergleich: Schon heute werden 10.072 Haushalte, die Unterstützung erhalten, in Wohnungen geduldet, die entweder zu groß oder zu teuer sind.

Leipzig steht mit dieser Entwicklung nicht alleine da. In allen deutschen Großstädten fehlt bezahlbarer Wohnraum. Gestern wurde bekannt, dass selbst in der Provinz die Wohnungspreise binnen eines Jahres um bis zu 37 Prozent angestiegen sind. Leipzigs Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau (parteilos) bezifferte kürzlich im LVZ-Interview den Bedarf an Sozialwohnungen in Leipzig. Jährlich, sagte sie, müssten „etwa 500 Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung für Haushalte mit geringem Einkommen neu geschaffen werden“. Dafür bräuchte die Stadt bis zu 30 Millionen Euro Fördermittel.

In der Messestadt sind aktuell 36.346 Bedarfsgemeinschaften leistungsberechtigt. Die Zahl ist seit 2012 um rund 5.000 zurückgegangen. Ein- und Zwei-Personen-Haushalte machen vier von fünf Bedarfsgemeinschaften aus.

Klaus Stäubert

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.08.2016


Kommentar:
Die mit dem Artikel suggerierte Sichtweise, dass alle „sozial Schwachen“ nach Grünau ziehen, entspricht mitnichten den Tatsachen. Zweifellos ist ein relevanter Teil der Grünauer Bevölkerung zur Gruppe der Transfergeldempänger zuzurechnen. Trotzdem macht dieser nicht den Hauptteil in Grünau aus. Die im Text genannte Zahl von 782 freien Wohnungen für Hartz-IV-Empfänger entspricht nicht mal 3 Prozent des Gesamtwohnungsbestandes in Grünau.
Eine differenziertere Betrachtungsweise anstatt einer solch eindimensionierten Sichtweise wäre gerade unter den aktuellen Entwicklungen in Grünau sowie den Herausforderungen einer wachsenden Stadt wünschenswert.