Wechsel im Theatrium: Almut Haunstein löst Beate Roch als Geschäftsführerin ab – LVZ vom 23.09.2017
Die „Theatriumsschau“ spürt seltsamen Vorgängen nach. Da stößt Außenreporterin Anne Rab zum Beispiel auf eine ominöse Gruppe, die Hackerangriffe ausführt oder erfährt von einer auf dem Zuschauer-Klo gefundenen Leiche. Manchmal verschlägt das selbst Katja Fischer im Studio die Sprache. Im eigenen Kanal auf Youtube präsentiert das Theatrium witzige Clips im Format einer Nachrichtensendung, die auf den aktuellen Spielplan hinweisen. Noch nicht zur Sprache gekommen – weil ein Vorgang hinter den Kulissen – ist eine nicht ganz unwesentliche Neuigkeit:
Die Grünauer Bühne hat eine neue Geschäftsführerin: Im September übernahm Almut Haunstein die Aufgabe von Beate Roch, die ihren Posten aus gesundheitlichen Gründen übergibt.
Auch wenn der Plan vom Abschied längst bekannt war – es fällt nicht ganz leicht zu glauben, dass die 63-Jährige nicht mehr regelmäßig präsent sein soll an der Alten Salzstraße. Die Frau, die als Mitgründerin so verwachsen mit der Einrichtung ist, dass sie seit Jahren „Beatrium“ genannt wird. „Als Ehrenamtliche werde ich dem Haus verbunden und bei Problemen Ansprechpartnerin bleiben“, gelobt Roch. Ein Versprechen, das ihrer Nachfolgerin einen sanften Übergang ermöglicht. „Mit Beates Hilfe habe ich mich in den letzten Wochen eingearbeitet“, berichtet Haunstein; außerdem hat sie viele Ordner gewälzt und Fortbildungsseminare besucht, um sich für die Herausforderung fit zu machen.
Vor acht Jahren stieß die 39-Jährige zum Team, auf Empfehlung von Regisseur Georg Herberger. Die aus dem westfälischen Bünde stammende ausgebildete Theaterpädagogin hat vor ihrem Gang nach Leipzig eine Buchhandelslehre absolviert und Anglistik und Literaturwissenschaft in Bielefeld studiert. Nebenher und danach war sie in verschiedenen Theatern als Schauspielerin und Theaterpädagogin engagiert. Auch im Theatrium stand sie zunächst auf der Bühne, bis sie hinter die Kulissen wechselte. Jedes Jahr leitet Haunstein ein Jugendtheaterprojekt – „außerdem“, so heißt es auf der Website der Grünauer, „kann sie singen wie sonst keiner“.
Ihren Job als Gesamtprojektleiterin und Geschäftsführung tritt sie mit gehörigem Respekt und Motivation an. „Es bedeutet eine große Verantwortung, dieses Theater zu leiten, in dem so unglaublich viel aufgebaut wurde in all den Jahren“, sagt sie und gerät ins Schwärmen: „In dieser Mischung aus Professionalität und Herzlichkeit zu arbeiten, ist einzigartig und ein tolles Gefühl!“ Haunstein steigt nach ihrer knapp einjährigen Elternzeit (ihre erste, dreijährige Tochter hat seit einem Jahr ein Geschwisterchen) in den neuen Job ein. Erik Hofmann, Projektkoordinator und seit Jahren Beates „rechte Hand“, hilft ihr beim Ankommen. Christin Stützer, seit August neue feste Sozialpädagogin am Theatrium und durch langjährige ehrenamtliche Tätigkeit bestens vertraut mit dem Haus, komplettiert das neue Team. Stabile Voraussetzungen also, und ohnehin sieht Haun-stein keinen Anlass für Umwälzungen. „Im ersten Jahr möchte ich mich weiter reinarbeiten und mich einfühlen“, sagt sie. Zu ihren großen Zielen gehört es, das Theatrium auch als theaterpädagogisches Zentrum zu etablieren. „Es gibt hier jede Menge Wissen, das weitergegeben werden sollte – und den Bedarf“, stellt sie fest. Für die weiterhin geplante Durchführung der Spielleitergrundausbildung am Haus wird zur Zeit nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht.
Ausbaubar ist auch die Medienwerkstatt, die unter anderem besagte Videos produziert und vor einer Vorstellung ins Netz stellt – auf Initiative von Rüdiger „Roger“ Biedermann, neben Tobias Stolle unverzichtbarer Überstunden-Techniker am Haus. Für Aufführungen kümmern sich beide um Licht, Ton und Bühne. „Zwei Kollegen, die nie krank werden dürfen“, weiß Beate Roch zu gut. Auch in personeller Hinsicht wäre ein in den Werkstätten geschulter Nachwuchs, der Spaß und Perspektive hat, wichtig – die berühmte Win-Win-Situation.
Die gerade begonnene Saison steht unter dem Motto „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, angelehnt an das Anarcho-Credo einer Pippi Langstrumpf, das Selbstbewusstsein, Fantasie und Mut vereint. Mit Themen wie Terror, Krieg, Hunger oder Realitätsflucht durch Digitalisierung sollen sich die Teilnehmer der neuen Projekte auseinandersetzen, ohne den Skeptizismus, den manche Erwachsene pflegen, sondern mit Sinn für Utopien. Programmatischer Titel der ersten Premiere am 6. Oktober: „Anna oder Der freie Wille“. Nur eine von vielen ambitionierten Inszenierungen, die zwischen Politik und Unterhaltsamem pendeln.
Trotz Umbesetzung in der Führung geht es also nahtlos weiter im Grünauer Kulturort, der immer wieder Achtungszeichen setzt, an dem so kritisch wie verantwortungs- und lustvoll Bühnenkunst gemacht wird. „Ich bin froh, dass Almut meine Nachfolgerin ist“, betont Roch, „sie ist geradlinig, ehrlich und voller Ideen“. Die so Gelobte möchte „stets auf Augenhöhe mit allen arbeiten“, und sie schiebt nach: „Wenn Bestimmtheit gefragt ist und ich Entscheidungen zu treffen habe, sollen sie immer nachvollziehbar sein.“
Almut Haunstein wirkt entspannt bei dem, was auf sie wartet, offen und kritikfähig. Und wenn sie Rat braucht, weiß sie, an wen sie sich wenden kann. Zwar kündigt ihre Vorgängerin an, „nun endlich mehr für die Familie da sein zu wollen“. Aber klar dürfte sein: Die Familie, das ist auch das Theatrium.
Mark Daniel
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 23.09.2017