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Orte der Bücherregale werden zu Orten des gemeinsamen Erlebens

Beim 7. Bibliothekskongress in Leipzig geht es um die Zukunft der Bibliotheken in Zeiten der Digitalisierung. Die Eröffnungsrede hielt Prinzessin Laurentien der Niederlande. Das Partnerland ist Vorreiter bei der Neupositionierung. (LVZ vom 19.03.2019)

Prinzessin Petra Laurentien Brinkhorst beim 7. Bibliothekskongress in Leipzig . Quelle: Christian Modla

Prinzessinnen geht es nicht anders als anderen Leuten: „Lebenslang lernen muss man auch mit 52 Jahren noch“, entschuldigte sich Petra Laurentien Brinkhorst lächelnd für ihr – vermeintlich – nicht so gutes Deutsch. Die Ehefrau von Prinz Constantijn, jüngerer Bruder des niederländischen Königs Willem-Alexander, eröffnete am Montag den 7. nationalen Bibliothekskongress auf der Neuen Messe. Ihren Eröffnungsvortrag hielt die Prinzessin in deutscher Sprache, die nur ein bisschen holperte. „Ich liebe Herausforderungen. Mein Vortrag ist eine öffentliche Deutsch-Übung, aber gemeinsam schaffen wir das“, trat die Königliche Hoheit ganz volksnah auf, was ihr die Sympathie des Publikums einbrachte.

Dritte Orte zwischen Wohnung und Arbeit
Unmittelbar vor Beginn der Leipziger Buchmesse diskutieren bis Donnerstag auf dem Kongress 4000 Teilnehmer, darunter 300 aus dem Ausland, über die veränderte Rolle von Bibliotheken. Noch vor wenigen Jahren glaubte man, sie würden bald überflüssig, weil das Buch zunehmend vom E-Book abgelöst wird. Doch laut Heinz-Jürgen Lorenzen vom Dachverband der deutschen Bibliotheksverbände herrscht momentan Aufbruchstimmung: In Zeiten der Digitalisierung entwickeln sich Bibliotheken noch stärker zu „dritten Orten“ neben Zuhause und Arbeitsstelle. Zu Orten, an denen sich Menschen niedrigschwellig zum gemeinsamen Lernen und Erleben treffen – dafür gebe es mittlerweile auch klare Konzepte.

Dreijähriger Fachaustausch
Die Niederlande sind Vorreiter auf diesem Weg und deshalb Gastland des Kongresses. In den nächsten drei Jahren wird es einen intensiven Austausch zwischen den beiden Nachbarländern geben, mit Studienreisen, Arbeitsgruppen und Fachaufenthalten. In den Niederlanden kann man in der Bibliothek beispielsweise einen Personalausweis beantragen, andere elektronische Behördendienste nutzen oder sich beim Erstellen seines Lebenslaufes helfen lassen. Welches Personal gebraucht wird, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden – auch das ist ein großes Thema auf dem Kongress.

Schlüsselerlebnis Birmingham
Ein weiteres Thema ist der Umbau von Bibliotheken, um sie zu einem Lern- und Spielort für jedes Alter, ohne Hemmschwellen und offen für alle Medien weit über das Buch hinaus zu entwickeln. Die niederländische Architektin Francine Houben modernisiert seit 20 Jahren Bibliotheken auf der ganzen Welt, wandelt sie von einem Ort der Bücherregale in einen Ort des menschlichen Mitein­anders um. Gerade baut die 63-Jährige die Public Library an der Fifth Avenue in New York um. Ihr persönliches Schlüsselerlebnis hatte sie beim Umbau der Bibliothek in Birmingham, der größten Einrichtung in Europa. „Nach der Wiedereröffnung konnte ich sehen, wie Menschen ganz verschiedener Herkunft dort harmonisch zusammensitzen. Das war ein großer Einschnitt in meinem Leben.“ Ihre Erfahrungen gibt die Architektin aus Delft auf dem Kongress weiter.

„Beste soziale Rendite“
Für Heiterkeit sorgte Prinzessin Laurentien, als sie Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) ganz direkt nach seiner Handynummer fragte. Der Stadtchef, der in der ersten Reihe saß, schien nicht gewillt, sie herauszugeben. Die Prinzessin wollte die Bibliothekare mit ihrer Frage ermutigen, dass sie ihre Elfenbeintürme verlassen, mit lokalen Entscheidungsträgern reden und sie für Bibliotheken in die Verantwortung nehmen. Nicht als Orte, die Geld kosten, sondern als Orte „der besten sozialen Rendite in der Stadt.“

Kerstin Decker

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 19.03.2019