Gegen destruktive Energie ist Liebe chancenlos

Theatrium überzeugt mit zeitgeistgemäßer Inszenierung von „Kabale und Liebe“
(LVZ vom 01.10.2020)

Szene aus der Inszenierung von Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ im Theatrium Grünau, Alte Salzstraße 59. Das Stück soll Anfang des neuen Jahres wieder auf dem Spielplan stehen. Foto: Constanze Burger

Schiller wieder mal. Ja, die Deutschen lieben diesen Dichter. Und das Theatrium in Grünau liebt jetzt kräftig mit: Am Dienstagabend feierte dort „Kabale und Liebe“ – Regie: Constanze Burger – eine bejubelte Premiere. Ein Stück, ganz Sturm und Drang. Kunst im Dienst der guten Sache, nach deren Vorgaben ja dann auch hier die Handlung geschnitzt ist. Warum einst der Philosoph Friedrich Nietzsche den Dichter Friedrich Schiller als den „Moraltrompeter von Säckingen“ abkanzelte, zeigt „Kabale und Liebe“ bestens.
Das zur Vorrede – jetzt auf ins Theatrium. Dort öffnet sich der Vorhang für einen Blick ins Korallenriff; eine bunte Welt bunter Wesen. Projiziert ist die auf eine Stellwand mit drei Türen, deren mittlere indes eher eine Hundeklappe ist. Und als solche dem Wurm dieser Geschichte vorbehalten bleibt. Dieser Geschichte, die sich um eine Liebe rankt, die an Standesschranken, Machtstreben und Kaltherzigkeit – kurz: am gesellschaftlichen Reglement – zerbricht. Und die im Theatrium ein zeitgemäßes Update erfährt; was wiederum zeitgeistmäßig so naheliegt, dass man es fast für banal halten möchte.
Ist es aber nicht, wie die Inszenierung dann beweist. In der liebt die bürgerliche Luise Miller nämlich nicht wie bisher den adligen Ferdinand, sondern eine Rahel aus präsidialem Hause. Was freilich auch nicht ganz dem Reglement entspricht. Wobei dann allerdings der Witz ist, dass es nicht einmal explizit Homophobie ist (implizit ist die freilich latent), an der diese Liebe letztlich zerbricht, sondern das kalte Kalkül gesellschaftlichen Aufstiegs. Den kann Luise für Rahel nicht bieten. Und vor allem anderen ist es genau das, warum Rahels Mutter so perfide gegen die Beziehung ihrer Tochter intrigiert.
Eine Intrige, die inszenatorisch und darstellerisch reinste Theaterlust ist: Da krabbelt Leonard Ruhland als Wurm wie ein fiebrig böser Geist aus seiner Hundeklappe und flüstert Rahels Mutter – ganz divenhafte Furie: Hanna Bonin – all das Böse ein, für das dann Hofmarschall von Kalb (von Maddox Wehr lustvoll als eitler Einfaltspinsel auf Hoverboard gegeben) das Werkzeug wird. Gegen derlei destruktive Energie hat Liebe keine Chance. Dabei wirken Luise (Lisa Klose) und Rahel (Elsa Sieveking) zu Beginn noch so, als könne ihnen die schnöde Welt überhaupt nichts – solange sie nur zusammen sind. Die Falltiefe ist umso bitterer – und die Intensität mit der Klose/Sieveking das zeigen, berührt unmittelbar. Da können dann auch Vater und Mutter Miller (Luc Fichtner und Pauline Großmann) nur fassungslos dabei stehen.
Das alles bettet sich in ein Setting, das ganz und gar Theatercharakter postuliert: Kein falsch verstandener Realismus, stattdessen die besagte bunte Welt bunter Wesen (Kostüm- und Maskenwerkstatt unter Leitung von Oliver Viehweg). Das passt perfekt zu einem Schiller, der tatsächlich mal nicht trompetet. Und zu einem Drama, das live mit Musik von Lars Kostjutschenko (E-Gitarre) und Isabel Galindo (Bass) stimmig abgerundet wird. Sehr gelungen, dieses „Kabale und Liebe“.


Kartentelefon: 0341 9413640 oder unter tickets@theatrium-leipzig.de


Steffen Georgi

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 01.10.2020