„Leipzig gegen Kürzungen beim Programm ‚Soziale Stadt'“

Martin zur Nedden im Interview
Artikel der Leipziger Internet Zeitung vom 26.03.2011:

?Gesunde Städte erfordern gesunde Nachbarschaften?, sagt Leipzigs Baubürgermeister Martin zur Nedden im L-IZ – Interview. Durch das Programm ?Soziale Stadt? konnten in Grünau und im Leipziger Osten wichtige Projekte realisiert werden. Deshalb setzt sich Leipzig für die Rücknahme der vom Bund beschlossenen Kürzungen ein.

Herr Bürgermeister, Sie haben mehrfach öffentlich die Kürzungen des Bundes beim Programm ?Soziale Stadt? kritisiert. Welche Projekte wurden bisher mit den Möglichkeiten des Programms in Leipzig realisiert?

Mit dem Programm Soziale Stadt konnten durch die Integration von Stadterneuerung, Infrastrukturaufwertung sowie Investitionen in Bildung und Qualifizierung sowie die Förderung kleiner und mittlerer Wirtschaftsunternehmen kontinuierlich Verbesserungen im Leipziger Osten und in Grünau erreicht werden. So konnten in Grünau im Rahmen des Programms bisher ca. 5 Millionen Euro investiert werden, zum Beispiel für Baumaßnahmen wie den Neubau des Jugendtheaters Theatrium, den Umbau der Skatehalle ?heizhaus?, die Sanierung des Schulgebäudes und die Neugestaltung des Schulhofes des Förderzentrums, die Sanierung der Turnhalle der 84. Schule, die Neugestaltung des Schulhofes der Ringelnatz-Schule oder die Neugestaltung des Spielplatzes Schönauer Park. Ebenso wichtig waren die Maßnahmen, die auf die Aktivierung der Bewohner des Stadtteiles zielen und der Bildung und Qualifizierung dienen, wie das Quartiersmanagement, das Stadtumbaumanagement, die Verfügungsfonds, die Erarbeitung des Stadtteilprofils ?Grünau zeigt Profil?, der Kultursommer oder das Modellvorhaben ?Bildungsverbund Grünau?.

Auch im Leipziger Osten hat das Programm Soziale Stadt erheblich zur Stabilisierung des Stadtteils beigetragen. Auch hier konnten Schulhöfe neu gestaltet werden, wie z. B. der Wilhelm-Wander-Schule oder der 74. Schule, sowie der öffentliche Raum durch Straßen- und Platzgestaltungen, so am Stefaniplatz und Bernhardiplatz, aufgewertet werden. Möglich war auch die Unterstützung zahlreicher privater Baumaßnahmen im Umfang von 660.000 Euro sowie von Gemeinbedarfseinrichtungen wie das Jugendkulturzentrum Oskar, die Lukaskirche, die Heilig Kreuz Kirche. Auch im Leipziger Osten konnten Maßnahmen zur Aktivierung der Bewohner und Förderung der Integration mit Hilfe des Programms Soziale Stadt gefördert werden, wie Quartiersmanagement, Bürgerbeteiligung, Verfügungsfonds und das Infocenter Eisenbahnstraße.

In welcher Weise ist Leipzig nun von den Kürzungen betroffen?

Diese Reduzierung des Programms Soziale Stadt bedeutet, dass die weitere Vorbereitung der künftig notwendigen Projekte gefährdet ist. Für die Planung ist die Kooperation der öffentlichen Verwaltung, der Bürger, der Wohnungswirtschaft und der lokalen Wirtschaft notwendig, die Kontinuität und Verlässlichkeit erfordert. Im Bereich Grünau betrifft dies insbesondere die Projekte der Zentralisierung öffentlicher Infrastruktur sowie die Zentrenentwicklung, deren Finanzierung demnach nicht gesichert ist.

Wie wird die Stadt Leipzig in diesem Jahr auf die Kürzungen reagieren?

Zum einen wird die Stadt Leipzig sich allein und im Rahmen ihrer Netzwerktätigkeiten – zum Beispiel Deutscher Städtetag, Sächsischer Städte- und Gemeindebund, Planungsdezernentinnen und -dezernenten größerer Städte in Mitteldeutschland – mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten dafür einsetzen, dass die Kürzungen des Programms Soziale Stadt zurückgenommen werden bzw. ein neues Programm aufgelegt wird, das im Sinne des bisher in Leipzig so erfolgreich betriebenen integrierten Ansatzes eine Verknüpfung von baulichen, sozialen und wirtschaftlichen Ansätzen ermöglicht.

Zum anderen wird die Stadt Leipzig im Rahmen der sehr begrenzten Möglichkeiten, die durch die angespannte Haushaltslage der Stadt Leipzig gesetzt werden, die Maßnahmen in den betroffenen Quartieren soweit aufrecht zu erhalten, dass zumindest eine Stabilisierung auf dem erreichten Niveau gesichert werden kann. Da Stadterneuerung allerdings ein kontinuierliches Handeln und damit eine stabile Mittelausstattung erfordert, stellt dies eine erhebliche Herausforderung dar.

Seit Jahresbeginn besteht das ?Bündnis für eine Soziale Stadt?. Die SPD-Stadtratsfraktion will mit einem Antrag den Beitritt der Stadt zu diesem bundesweiten Aktionsbündnis erreichen. Was kann das Bündnis auf Ihrer Sicht leisten?

Das Bündnis für eine Soziale Stadt verdeutlicht den besonderen Wert, den das Programm Soziale Stadt für eine nachhaltige Entwicklung unserer Städte hat. Es macht deutlich, dass sozial stabile Städte nach wie vor Programme brauchen, die integrierte Ansätze jenseits von Fachressorts ermöglichen und in besonderem Maße darauf setzen, die Bewohnerschaft vor Ort mitzunehmen. Gesunde Städte erfordern gesunde Nachbarschaften.

Von dem breiten Bündnis, das derzeit geschaffen wird, erhoffe ich mir, dass bei den zuständigen Entscheidungsträgern ein Umdenkungsprozess in diesem Sinne erreicht werden kann. Leipzig als Stadt, in der die Leipzig Charta für eine nachhaltige Stadtentwicklung ihren Ursprung hat, steht ein Beitritt zu diesem Bündnis gut zu Gesicht.

Gernot Borriss

Quelle: Leipziger Internet Zeitung vom 26.03.2011 – www.l-iz.de