Ein Grünauer Hobbyhistoriker pflegt mit seiner Frau einen Mini-Park und dokumentiert wichtige Leipziger Personen oder Orte (LVZ vom 29.04.2020)
Ein leichter Frühlingswind atmet die bunten Ostereier an, die noch vom kaum gefeierten Fest erzählen. Eine Katze streunt durchs Gebüsch, in sicherer Höhe kapern Spatzen das schwankende Vogelhäuschen aus Holz. Es idyllt ganz enorm auf diesem kleinen Flecken Erde in Leipzig-Grünau, auf dem gerade Fritz Hundt mit seiner Frau Ingrid die Nase in die Sonne hält. Dieses Örtchen gehört zu den vielen Passionen, denen sich der 78-Jährige hingibt.
Fritz Hundt ist in mehrfacher Hinsicht ein Flächen-Gestalter. Er kümmert sich nicht nur um das selbstgestaltete Mini-Paradies in der Plattenbau-Gegend am Frankenheimer Weg, sondern ist Hobbyhistoriker und Ausstellungsmacher – mit einer Arbeitsdichte, die meilenweit vom Trägheitsklischee des Durchschnittsrentners entfernt liegt.
Früher war Hundt Lehrer für Mathe und Physik am Sportgymnasium, und schon damals trieb ihn das geschichtliche Interesse dahin, Material zu bewahren. Dass es heute im Keller der Bildungsstätte an der Mainzer Straße ein Sportmuseum gibt, ist das Verdienst des früheren Paukers. Unter anderem hier aufbewahrt sind der Olympia-Mantel, den Leipzigs Rad-Legende Täve Schur 1960 zum Silber im Vierer-Mannschaft-Zeitfahren bekam, ein Badeanzug der bislang erfolgreichsten deutschen Schwimmerin Kristin Otto, Medaillen und vieles mehr.
Sein Credo „Kreativ sein ist das Schönste, was es gibt“ leben Hundt und seine Frau intensiv aus. Dort wohnen sie seit 1981, ganz nah an der Fläche von der Größe eines Fußballfelds, die seit dem Aufbau der Betonwohnlandschaft brach lag. „Mit einem Vogelhäuschen fing es an“, sagt der Mann, der unter seiner Cordmütze und seinem grauen Schnäuzer versonnen lächelt. Es folgte das Pflanzen von heute meterhohen Bäumen, Wiese, Beete, Bänke, Rosenbögen und überdachte Pflanztröge – alles in Eigenregie und bis heute ohne Einwände der Stadt als Eigentümerin der Fläche.
Figuren aus Wurzeln
In den Märchenpark haben Ingrid – ehemalige Kindergärtnerin – und Fritz Hundt eine regelrechte Naturkunstausstellung gezaubert. Hier liegen Kastanien hinter Plexiglas, klemmen Tannenzapfen zwischen Ausläufern eines Baumstammes, stehen Figuren aus Wurzeln, hängen wetterfest kluge Aphorismen. „Ein bisschen verrückt muss man dafür schon sein“, gibt er zwinkernd zu. Viele sind den Hundts für diese Verrücktheit dankbar. An diesem für jeden offenen Ort feiern Grünauer kleine Feste, sind Kindergartenkinder ständige, staunende Besucher, wird geplaudert und kommuniziert. Und der Osterschmuck ist eine unumstößliche Tradition, die sich die beiden auch trotz Corona-Modus nicht nehmen ließen.
„Hundtschen Park“ nennt Uwe Walther die Oase. Der Leiter des Komm-Hauses Grünau hat den Hobbyhistoriker ermuntert, seine Dokumentationen auszustellen. Im vergangenen Jahr hing dort sowie später im Villa-Kulturzentrum die Schau „Die Leipziger Platzwunde“ über den Wandel des Wilhelm-Leuschner-Platzes, der früher Königsplatz hieß und im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen schwer zerstört wurde.
Ausstellung im Grünauer Pep
Zuletzt bot das Komm-Haus die Fläche für „Ich malte – Der Südfriedhof und seine verstorbenen Bildermaler“. Auf über 20 Schautafeln stellt Hundt das Leben und Wirken von Malern dar, die in Leipzig gelebt und gearbeitet haben und auf dem Leipziger Südfriedhof begraben sind – mit Abbildungen von Kunstwerken und Kurzbiografien in sorgfältiger Handschrift. Aktuell schmücken die großen Tafeln über Tübke, Mattheuer und Co. die leer stehenden Fenster eines Geschäfts in der Grünauer Einkaufspassage Pep. Rechts von der Sparda-Bank ist somit eine von außen betrachtbare Corona-konforme Ausstellung entstanden.
Gebauchpinselt fühlt sich Hundt durch solche Aufmerksamkeit natürlich, betont aber: „In erster Linie mache ich das für mich, denn durch das Dokumentieren lerne ich sehr viel.“ Die Neugier dieses Mannes scheint nachzuwachsen wie die Pflanzen im selbst gestalteten Areal. Für das nächste Jahr arbeitet er gerade an Schautafeln über das Leben Rosa Luxemburgs, inspiriert von einem Buch mit Gefängnisbriefen der Symbolfigur und Politikerin.
Auf den Hundt gekommen
Selbstverständlich wird das Ergebnis im Komm-Haus zu sehen sein – wichtiger Anlaufpunkt in einem Stadtteil, mit dem der Mann, der 1941 in Breslau zur Welt kam, längst verwachsen ist. Ob Grünau auf den Hundt gekommen ist oder umgekehrt, man weiß es nicht genau. „Jedenfalls lebt es sich hier wunderbar“, sagt der Leipziger über den Stadtteil, der von anderswo gern abschätzig betrachtet wird. Eine einseitige Sicht, denkt man nur an die nach Robert Koch benannte riesige Grünanlage. Oder an diese unwirklich traumschöne kleine Oase am Frankenheimer Weg – den Hundtschen Park.
Mark Daniel
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 29.04.2020