Der Neustart in Schulen und Kitas ab 18. Mai wird eine logistische Herausforderung für alle Beteiligten. Derzeit wird überall an Konzepten gefeilt. Es gibt auch Zweifel, ob die in der Praxis funktionieren. (LVZ vom 12.05.2020)
In einer Woche geht es wieder los: Kinder und Jugendliche kehren in die Kitas und Schulen zurück. Dort läuft derzeit eine riesige Maschinerie an, um den Neustart logistisch vorzubereiten, die strengen Regeln einzuhalten und Hygienemaßnahmen umzusetzen. „Ob es funktioniert, muss die Praxis zeigen. Das muss ich so deutlich sagen“, gibt Katja Sammler, die stellvertretende Geschäftsführerin der Kindervereinigung Leipzig, unumwunden zu.
Sie betreibt zehn Kitas in Leipzig – darunter die „Kleinen Füchse“ in der Frohburger Straße. Die Notbetreuung sei derzeit zu 20 Prozent ausgelastet. Jetzt werde nahezu auf etwas eingeschränkten Normalbetrieb hochgefahren. „Natürlich haben wir ein großes Interesse daran, dass die Kinder wieder betreut werden. Doch eine stufenweise Öffnung der Kitas ist das nicht.“ Die Umsetzung aller Auflagen sei praktisch kaum möglich, befürchtet sie.
Pädagogische Konzepte in Kitas nicht umsetzbar
Damit Kinder in einer konstanten Gruppe bleiben, seien mindestens zwei Erzieherinnen notwendig, um Früh- und Spätdienste abzusichern. Alle verfügbaren Erzieherinnen seien im Einsatz – sobald nur einer ausfällt, funktioniere das alles nicht mehr. „Wir ermitteln zunächst den Bedarf für nächste Woche. Erst dann können wir konkret organisieren, wie groß die Gruppen werden.“ Das hänge von den örtlichen Begebenheiten der Häuser sowie vom vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel ab.
Bei den „Kleinen Füchen“ in Connewitz, wo im Normalfall 285 Kinder betreut werden, ist die Herausforderung besonders groß. „Da richten wir dann wahrscheinlich einen Bring- und Hol-Bereich ein, da werden sich wohl Schlangen bilden.“ Kinder, die nicht zur selben Gruppen gehören, dürften sich nicht treffen. Pädagogische Konzepte sind derzeit ohnehin kaum umsetzbar.
Vicki Felthaus von der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Stadt Leipzig geht davon aus, dass etliche Eltern ihre Kinder noch daheim lassen: „Zum Glück haben wir noch eine Woche Zeit, um alles zu organisieren.“
Kitas feilen am Hygienekonzept
In der Tauchaer Kita Koboldkiste wird eifrig am Hygienekonzept gefeilt. „Da gibt es noch viele Fragezeichen“, räumt die Leiterin Cornelia Baatzsch ein und hofft in den kommenden Tagen auf zusätzliche Detailinfos. Die 14 Erzieherinnen sollen ab nächster Woche wieder über 90 Kinder unter strengen Hygieneauflagen betreuen. Dann wird es eng in der Koboldkiste, die vorher mit gemischten Gruppen arbeitete.
Dass ältere Kolleginnen freiwillig mitarbeiten dürfen, die zur Risikogruppe zählen, helfe bei der Planung. Die Leiterin geht es optimistisch an: „Die Hygieneartikel und Hilfsmittel werden wohl reichen.“
Helmholtz-Oberschule ist vorbereitet
„Wir haben zwar mit einem späteren Start gerechnet, sind aber vorbereitet“, sagt Schulleiterin Karen Noseck von der Helmholtz-Oberschule in Lindenau. „Wir teilen die Klassen in Gruppen, organisieren einen 14-tägigen Wechsel.“ Dabei werden die Klassenstufen räumlich separiert, die Lehrer erstellen die Pläne. Ein Teil der Oberschüler lernt eine Woche daheim, wird aber betreut.
Was heißt: Sie können regelmäßig zu vorher abgesprochenen Zeiten mit Fragen und Aufgaben in die Schule kommen. An Prüfungstagen dürfe allerdings kein jüngerer Schüler präsent sein. Dabei konzentriere sich die Bildungsstätte auf die Hauptfächer. „Dennoch geben wir unseren Schülern die Möglichkeit, in anderen Fächern ihre Noten zu verbessern“, so Noseck.
Zahl der Fächer wird deutlich reduziert
„Unsere Lehrer reichen hinten und vorne nicht“, räumt der Leiter der Schkeuditzer Lessing-Oberschule Jens Hünecke ein. Einige Kollegen gehörten zur Risikogruppe. Außerdem würden in den kommenden Wochen Lehrer für die Abschlussprüfungen gebraucht und stünden für den eingeschränkten Regelbetrieb nicht zur Verfügung. „Die Klassen kommen daher nur tageweise in die Schule, und die Zahl der Fächer wird deutlich reduziert“, erklärt der Schulleiter. In die Turnhalle müsse man nicht ausweichen: Bei 19 Klassen reichten die 21 Räume im Schulgebäude gerade so aus. „Allerdings ist das schon eine Presspassung“, so Hünecke. Parallel zum Präsenzunterricht würden die 430 Schüler aber auch in den kommenden Wochen zu Hause weiter betreut und mit Aufgaben versorgt.
Schulspeisung fällt wahrscheinlich aus
Am Geschwister-Scholl-Gymnasium Taucha steht seit Montag fest, dass die Klassen ab 18. Mai gestaffelt in die Schule gerufen werden. „Es soll jeweils ein Drittel jeder Klasse zum Unterricht erscheinen, sodass jeder der rund 800 Schülerinnen und Schüler ein- bis zweimal pro Woche einen echten Lehrer vor sich hat“, kündigt Schulleiterin Kathrin Rentsch an.
Informationen, wer wann dran ist, sollen bis spätestens Freitag auf der Homepage der Schule abrufbar sein. Die Schulspeisung müsse voraussichtlich ausfallen, da der Platz nicht ausreicht, um die strengen Auflagen zu erfüllen. „An den Tagen des Präsenzunterrichtes mögen sich die Mädchen und Jungen selbst um ihre Speisen und Getränke kümmern“, bittet die Schulleiterin.
Rollierendes System wird eingeführt
“Es wird ein Spagat, den wir da bewältigen müssen“, sagt Ralf Tramm, der Direktor des Brockhaus-Gymnasiums in Mockau. Bis Donnerstag sollen Details klar sein, wie ein „rollierendes System“ funktionieren kann. “Ziel ist es, dass bis Ende des Schuljahres alle Schüler für einige Tage kommen können – die andere arbeiten derweil zu Hause“, so Tramm. Bei 730 Schülern könne der Wechsel organisiert werden, die räumliche Begebenheiten am Standort Kieler Straße lassen das zu. Nicht gewährleisten könne man derzeit die Schulspeisung, auch weil etliche Lehrer zur Risikogruppe gehören.
Jeder Schüler bekommt eigene Bank
Darüber muss sich das Bischöfliche Montessori-Schulzentrum in Grünau keine Gedanken machen, weil das Lehrer-Team relativ jung ist. 850 Kinder und Jugendliche lernen im Komplex An der Alten Salzstraße – in drei Schularten. „In unserer Grundschule gibt es altersgemischte Klassen, die als konstante Lerngruppe den ganzen Tag zusammenbleiben – auch am Nachmittag“, erklärt Sebastian Heider, der Leiter des Schulzentrums.
Der Schlachtplan für die Größeren sehe vor, die Klassen so in Gruppen zu teilen, dass jeder Schüler eine eigene Bank bekommt. Eine Gruppe lerne montags in der Schule, die andere daheim. Dann werde gewechselt. „So ist der Unterricht in allen Fächern machbar, es ist aber eine extreme logistische Herausforderung.“ Zumal im Gymnasium und Oberschule auch noch die Prüfungen laufen.
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Mathias Orbeck und Winfried Mahr
Quelle: www.lvz.de vom 12.05.2020