Im neuen Theatrium-Projekt „Backpfeife gefällig?“ kämpfen Jugendliche für eine nachhaltige Zukunft
(LVZ vom 21.09.2020)
Die Saison beginnt mit einer Abschaffliste: Am Freitag hat das Theatrium seine neue Spielzeit mit einem Kindertheaterprojekt der Jüngsten im Ensemble und klaren Ansagen gestartet. Der Titel zeigt es schon: „Backpfeife gefällig?!“ heißt die Inszenierung in der Projektleitung von Kathrin Großmann, die sich als pädagogisch wertvolle Erziehungsmaßnahme für resistente Erwachsene entpuppt.
Das Stück nimmt sich all die verbohrten Großen dieser Welt vor, die aus diesem eigentlich ganz schönen Planeten so nachhaltig einen Ort des Elends machen, dass für die mehr oder weniger Kleinen nicht mehr viel Schönes übrig bleiben wird, wenn sie erst einmalgroß sind. Zeit also, den Aufstand zu wagen!
Für den versammelt sich in „Backpfeife gefällig?!“ eine achtköpfige basisdemokratische Rasselbande, kleine Wutbürgerinnen und Wutbürger, die im Namen nachhaltiger Zukunftssicherung erst im besetzten Haus das alternative Lebensmodell proben – ein gerade in Leipzig wieder bitter aufgeflammtes Thema –, um am Ende ganz im Untergrund der Totalverweigerung zu verschwinden.
Ein Weg, der hier zum Glück nichtnurimdidaktisch-moralischen Brustton (natürlich brummt auch derin diesem Stück gehörig vor sich hin), sondern vor allem immer wieder auch beherzt selbstironisch beschritten wird. Was schon deshalb einnehmend und bemerkenswert ist, weil ein typisches Grundmerkmal unserer Gegenwart ein schon peinlicher Mangel gerade an Selbstironie ist – und zwar auf allen politischen Meinungsseiten.
Ein Mangel, den man dieser Inszenierung nicht vorwerfen kann. Denn so ernst dieser grundsympathischen Aussteiger- und Rebellentruppe in ihren praktischen Overalls die politischen Anliegen sind, so gewitzt werden diese von ihnen oft auch diskutiert. Die Bandbreite reicht von der internen Gruppenkritik („Die sieht sich echt als moralischer Kompass!“) über tiefschürfende Begriffsanalysen („Was ist jetzt schon wieder’ne Bratze?“ – „Na ein fettes altes Weib vielleicht.“) hin zu klaren Zeitgeist-Ansagen gerade auch fürs ältere Publikum („SMS sind ja so was von 2008!“).
„Backpfeifen auf der Sachebene“ nennt sich das an einer Stelle ganz hübsch. Und so geht’s eben nicht nur um Mitbestimmung, sondern auch mal um Mitesser. Und auf dem politischen Programm einer Abschaffliste zur Weltverbesserung finden sich neben Autos und Atomwaffen auch Avocados.
Gut, über Letzteres müsste man mit der Rasselbande vielleicht noch mal reden. Aber genau darum geht es hier ja: dass man miteinander redet. Dass die Erwachsenen den Kids zuhören, sie ernst nehmen. Was nicht heißt, dass das Ganze gleich zur spaßbefreiten Angelegenheit wird. „Backpfeife gefällig?!“ beweist das bestens.
Info: Weitere Termine im Theatrium stehen auf der Seite www.theatrium-leipzig.de; Karten können bestellt werden unter Telefon 0341 9413640 und per E-Mail an tickets@theatrium-leipzig.de
Steffen Georgi
Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 21.09.2020