Einzigartig: Das Theatrium in Grünau

Artikel aus: Ortsblatt Leipzig / Ausgabe Lindenau-Plagwitz-Kleinzschocher 01/2019

Wichtiger Anlaufpunkt für junge Menschen in Grünau – das Theatrium. Eine Erfolgsgeschichte.
Foto: QM Grünau

Eine Reihe über Freie Theater in Leipzigs Westen wäre ohne das Theatrium in Grünau unvollständig. Politiker*innen oder Lehrer*innen, die sich über mangelndes Engagement von Jugendlichen mokieren, sollten mal einen Fuß in die Alte Salzstraße 59 setzen. Jahr für Jahr arbeiten in diesem wundervollen Haus mehr als 90 Kinder und Jugendliche miteinander, setzen sich mit selbstgewählten Themen, der eigenen Körperlichkeit und Ausdrucksformen auseinander, praktizieren Teamgeist, Konfliktfähigkeit und lang dauernde Verbindlichkeit. Und schaffen dabei auch noch bewegende, unterhaltsame, eindrucksvolle Aufführungen.

Seit Jahren übersteigt die Zahl der Anmeldungen die Zahl der Plätze bei weitem. Eher selten verlässt jemand auf eigenen Wunsch das Theatrium, wenn, sind eher schulische Gründe vorhanden. Ein Theater, das es schafft, dass einige Teilnehmer*innen sich das – zugegeben, schöne – Logo des Theaters als Tattoo auf ihren Körper stechen lassen, scheint wirklich unter die Haut zu gehen. Und vieles gut zu machen? Eine Oase im schwierigen Alltag der Jugendlichen ist es allemal.

Und dieses Theater war die Stadtverwaltung noch vor wenigen Wochen sogar bereit zu schließen? Etwas so Absurdes kann nur Unwissen – oder vielleicht doch raffinierte Taktik sein. Immerhin wurde so allen beteiligten Stadträten bewusst, dass Sparen den Weg in die Zukunft auch verbauen kann. Jedenfalls signalisiert der Finanzausschuss des Rates nun eine Erhöhung der Mittel, die die Arbeit des Vorzeigetheaters für die nächsten Jahre sichern könnte.

Wie kann ich einzig sein, ohne deshalb gleich artig zu sein? Unter dem Motto einzig / artig agieren in der Spielzeit 2018/19 im Theatrium vier Jugendtheatergruppen (13-27 Jahre), zwei Kindertheater- (8-12 Jahre) und eine generationenübergreifende Gruppe, eine Kostüm- und Maskenwerkstatt und eine Medienwerkstatt, jeweils unter professioneller Leitung – seit 1995 unter der Gesamtleitung von Beate Roch, seit 2017 unter der der ausgebildeten Theaterpädagogin und Schauspielerin Almut Haunstein.

Highlight des Jahres: An einem Wochenende im Februar treffen sich Teilnehmer*innen und Leitung zum Probenlager. Man zeigt sich gegenseitig den jeweiligen Probenstand, diskutiert, wandert, feiert und sucht Themen und Motto für das kommende Jahr. Eine Überlegung: will, muss man stärker Flagge zeigen, politisch?

Aber auch die weitere Zukunft nimmt Almut Haunstein in den Blick – sofern die Existenzfrage beantwortet ist. Inklusion ist ein großes Thema, außerdem spricht sie von einem neuen Kompetenzzentrum, das das Pfund des Theatriums, die theaterpädagogische Arbeit, auch außerhalb des Grünauer Hauses ermöglichen und bündeln solle. Bedarf jedenfalls ist reichlich vorhanden.

Dieses Potential, die große Nachfrage nach Theaterarbeit ohne Konsum und Kommerz, einer Kreativität, die die Macher*innen selbst mitgestalten können, ist längst nicht mehr zu übersehen. Das Theatrium, das ehemalige Spinnwerk des Centraltheaters, das Ost-Passage-Theater und viele weitere Clubs an den Häusern bestätigen die Sehnsucht nach einem Theaterhaus für sie selbst, für Kinder und Jugendliche, in dem sie eine Hauptrolle spielen können und dabei nicht zuerst dem Marketinggedanken der Theaterleiter folgen. Vielleicht ein Fingerzeig an die Stadt Leipzig, diesem Bereich auch bei der Neubesetzung der Leitung des größten Kinder- und Jugendtheaters der Stadt Priorität beizumessen?

Matthias Schiffner

Quelle: www.ortsblatt-leipzig.de (E-Paper)

Komplette Ausgabe mit Artikel: Ausgabe Lindenau-Plagwitz-Kleinzschocher 01/2019 (Seite 9)


Weitere Infos zum Thema: www.theatrium-leipzig.de