Momo sagt Yolo

Gelungene Premiere im Theatrium

„Yolo – Zeit wächst nicht auf Bäumen“ feierte im Theatrium eine gelungene Premiere. Foto: Hanna König

Im Theatrium feierte „Yolo – Zeit wächst nicht auf Bäumen“ am Sonnabend Premiere, gestern wurde es ein zweites Mal gezeigt. Schade, dass dieses gelungene Stück für ein Publikum ab sechs Jahren erst in einigen Monaten wieder zu sehen sein wird. Denn so ist der Rhythmus im Grünauer Kinder- und Jugendtheater; dicht auf die Premiere folgen ein, zwei Aufführungen und dann eine lange Pause.
Die Abkürzung „Yolo“ stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt: Du lebst nur einmal. Nutze also deine Möglichkeiten, nutze den Tag – allerdings nicht im Sinne von Egoismus und Rücksichtslosigkeit, sondern so wie die Romanfigur Momo, die der Schriftsteller Michael Ende 1973 aus der Fantasie in die Wirklichkeit entließ.
Seit geschlagenen 45 Jahren also schon macht uns das kleine Mädchen darauf aufmerksam, dass wir uns von den Zeit- und parallel dazu auch von den Finanzoptimierern nicht am Nasenring durchs Leben ziehen lassen sollen. Mit Worten und Formulierungen wie „bequem“ oder „Wir erledigen das für Sie“ locken sie uns in ihre Fänge und rauben uns unter Vorspiegelung des Gegenteils das, was uns gehört.
Momos Eltern hören ihrer Tochter nicht zu, sie sind mit sich, ihrer Arbeit und ihren Smartphones beschäftigt. Das Mädchen verschwindet frustriert und landet bei einer Clique freundlicher Kinder, die spielen, schwatzen und miteinander Zeit verbringen, bis die grauen Herren von der Zeitsparkasse eingreifen und einen nach dem anderen auf ihre Seite ziehen. Nun sind die Betroffenen gehetzt, sie frönen dem Nutzen anstatt der Freude oder der Liebe. Effizienz bestimmt ihr Handeln.
Allein am Treffpunkt zurückgelassen kann Momo – im Gegensatz zu ihren Eltern – zwar gut zuhören, allerdings ist niemand mehr da, der ihr etwas erzählt. Doch, ein grauer Herr! Der verplappert sich über die Motive seiner Institution, was ihn vor Gericht bringt und Momo in Gefahr. Nun „eilt“ Schildkröte Kassiopeia zu Hilfe, ausgesandt von Maestra Hora, der Herrscherin über die Zeit. Der Showdown beginnt!
Ist das zu schwierig, zu philosophisch für Kinder? Nein, denn sie kennen das Problem und leiden, wenn ihre Eltern keine Zeit für sie haben. Trauen wir ihnen ruhig etwas zu! Ist das zu gruselig für Kinder? Schließlich gehen die grauen Herren recht rabiat und dabei wirklichkeitsnah vor. Nein, auch nicht zu gruselig, denn Momo verkündet mehrfach, keine Angst zu haben. Sie ist fröhlich, stark und positiv (dabei dennoch kindlich) und erhält, als ihre Freunde in Not geraten, Unterstützung von ganz oben. Maestra Hora nämlich, die an der Sternstundenuhr drehen könnte, nimmt die Stelle der guten Göttin ein. Ohne Momo jedoch geht es nicht, auch sie muss etwas tun. Und da die Hauptheldin von „Yolo – Zeit wächst nicht auf Bäumen“ als Identifikationsfigur für uns alle steht, müssen wir alle etwas tun, ob Kinder oder Erwachsene.
Die Kinder vom Theatrium haben ihren Teil geleistet, wunderbar gespielt, tolle Bewegungen vollführt und dafür massiven Premierenbeifall eingeheimst.

Bert Hähne

Quelle: Leipziger Volkszeitung vom 25.06.2018